9
Aug

Sommerferien!

Lange ist es her, dass hier ein Eintrag erschien. Doch nun ist es mal wieder an der Zeit. Gewidmet ist der Eintrag einem sehr guten Freund – ebenfalls Lehrer – der heute seinen letzten Zwanzigergeburtstag feiert: Alles Gute, Dirk!

Eigentlich die entspannteste Zeit des Jahres. Eigentlich! Denn nicht die alltägliche Hetze der übrigen Bevölkerung „Morgens recht und Nachmittags frei!“ oder “Drei Monate Ferien und einen Halbtagsjob bei voller Bezahlung!“ machen mir zu schaffen, sondern die Unterrichtsvorbereitung. „Lächerlich“ werdet ihr skandieren. Doch begleitet mich auf folgendem Gedankenspiel: Ihr sollt eine Branche vorstellen und die Leute zur Partizipation eben dort anregen.

Ich fülle das mal mit etwas Leben und einem Beispiel:

Es gibt ein Unternehmen in der Branche, in dem eine Führungskraft Abitur und Studienabschluss vortäuschte, um in den Vorstand zu kommen. Nach Bekanntwerden der fehlenden Abschlüsse, wird sie jedoch nicht gefeuert, sondern erhält weiterhin ihre Bezüge und Rentenansprüche sowie ihren Vorstandsposten.
Merke: „Es ist nicht wichtig, ehrlich zu sein, Hauptsache die Karriere geht voran!“ Außerdem werde ich bei meiner Präsentation natürlich die Loyalität des Unternehmens positiv hervorheben. Schaufle mir motivational jedoch mein eigenes Grab, weil das Beispiel zeigt, dass Abschlüsse nicht notwendig sind, um eine gute Position mit hoher Bezahlung bei vollkommener Ahnungslosigkeit zu bekommen.

In der gleichen Branche gibt es ein Unternehmen, welches gerade einen neuen Chef sucht. Es gibt mittlerweile nur noch zwei Bewerber, die sich gegen die übrigen durchgesetzt haben und dass, obwohl einer von Ihnen weinende Kinder des Raums verweist, nicht begriffen hat, dass eine Mauer als Staatsgrenze untauglich ist, Belgien als Stadt in Europa bezeichnet und keinen Wert auf kooperierende Unternehmen legt. Trotz dieser und vieler weiterer verbalen Entgleisungen könnte er bald an der Spitze eines mächtigen Konzerns stehen. Vollkommen zurecht werden meine Zuhörer sagen: „Wenn der Chef keine Ahnung hat, wieso sollte sich dann das gemeine Fußvolk um Bildung kümmern?“

Die Branche hat ein weiteres Unternehmen, welches seine Mitarbeiter unter widrigen Bedingungen arbeiten lässt und unbedingt einer Unternehmensgruppe beitreten möchte, jedoch deren grundlegendsten Errungenschaften mit Füßen tritt. Dennoch werden die Geschäftsbeziehungen von der Unternehmensgruppe nicht abgebrochen, weil das eine Unternehmen ein wichtiges Produkt bereithält. Merke: „Es ist nicht wichtig, dass du dich an Regeln hältst oder dich benimmst, wenn du das gewünschte Produkt lieferst und die Kohle stimmt!“

Wenn man diese drei ausgewählten Beispiele in den Kampf an der Bildungsfront in den Politikunterricht führt und an Wahlbeteiligung, Politikverdrossenheit sowie politische Glaubwürdigkeit denkt, dann ist Unterrichtsvorbereitung nicht so einfach wie ein Länderspiel gegen Gibraltar und die Sommerferien nicht das Garteneden.


2
Okt

Früher war alles besser

Nach einer etwas ausgedehnten Sommerpause nun mal wieder ein kurzer Text zu den Veränderungen im deutschen Bildungssystem. Ich würde mich freuen, wenn ihr euch die Zeit nehmt:

Früher gab es den einen Family-Farmer, der mit seiner Familie Kühe, Schweine, Hühner, Pferde und Hunde hielt. Er baute Mais, Weizen, Roggen, Gurken, Kartoffeln, Tomaten und Paprika an. Heute hat sich ein Landwirt z. B. auf Roggen spezialisiert, kennt sich exzellent im Anbau sowie der Vermarktung aus und hat Zugriff auf ein Netzwerk von weiteren Roggenbauern. Er versorgt im Durchschnitt 135 Menschen mit Nahrungsmittel.

Früher gab es den  einen Arzt, der alle Krankheiten behandelte. Er schiente Beine, senkte Fieber, behandelte Rückenleiden und therapierte Magen-Darm-Beschwerden. Heute ist ein Arzt hochspezialisiert. Der Gastroenterologe verfügt z. B. über umfangreiche Kompetenzen der Prävention, Diagnostik sowie Therapie von Magen-Darm-Beschwerden und kann so deutlich effizienter seinen Patienten helfen.

Früher gab es das eine große Kaufhaus, welches alle Wünsche erfüllte. Im Sortiment gab es neben Textilien Bücher, Schmuck, Spielwaren, Elektronikartikel, Haushaltsartikel und Schuhe. Heute gibt es fast nur noch Marken-Shops, die lediglich die Textilien eines Herstellers anbieten. Dafür sind alle Artikel der einen Marke sofort in jeder Farbe und Größe verfügbar.

Früher gab es die eine Autowerkstatt, die sämtliche Autos aller Hersteller aufbockte  und reparierte. Heute gibt es Lizenzwerkwerkstätten, die sich auf die Fabrikate eines Herstellers spezialisiert haben. Sie verfügen über die speziellen Werkzeuge zur Fahrzeugreparatur einer Automarke und haben exklusiven Zugriff auf die Diagnosesoftware dieses Herstellers, um schneller und effektiver den Schaden beheben zu können.

Früher gab es hochspezialisierte Lehrer die sich nach einer langen Ausbildung und viel Berufserfahrung für ihre tägliche Arbeit an den Hauptschulen, Realschulen, Gymnasien, Berufsschulen und Förderschulen spezialisiert haben. Teilweise waren sie sogar Experten in nur zwei Fächern. Heute gibt es den einen…

PS: Gewidmet ist dieser Text einem befreundeten Lehrer-Pärchen mit den besten Wünschen zur Verlobung am Vorabend des Tages der deutschen Einheit!


15
Feb

Wo ist all die Liebe hin?

„Zeigen Sie Ihrer Partnerin, wie sehr Sie sie lieben?“ – An den übrigen 364 Tagen im Jahr kann ich mich also entspannt zurücklehnen? Ein anderer Werbeslogan zum Valentinstag lautet: „Zeigen Sie Ihrer Partnerin, wie einzigartig sie ist!“ – Das soll ich mit einem Produkt machen, was in x-facher Ausführung im Regal steht?
Warum brauchen wir überhaupt einen Tag, um unsere Liebe zu zeigen und wo ist die Liebe an den übrigen Tagen hin? Der Volksmund sagt: „Ein Kind ist sichtbar gewordene Liebe!“ Drehen wir diese Aussage um, dann stellen wir fest, dass es mit 1,41 Kindern pro Frau (2014) sehr schlecht um die Liebe in Deutschland bestellt ist. Also, wo ist die Liebe hin? Wir benötigen 2,1 Kinder pro Frau, um unsere Einwohnerzahl zu halten. Bedenkt man nun, dass die Bevölkerungszahlen in Deutschland in den letzten Jahrhunderten konstant angestiegen sind und erst im letzten Jahrzehnt sinken, dann wird noch deutlicher, dass hier Liebe abhanden gekommen ist. So wird jede dritte Ehe in Deutschland noch vor der Silberhochzeit geschieden (2013). Daher frage ich:

Wo ist all die Liebe hin?

Hat sie sich verirrt im Lebenslabyrinth, sozusagen „verliebt“? Eine mögliche Erklärung ist, dass wir unsere Liebe auf andere Dinge übertragen. Die Deutschen lassen jährlich 3,5 Mrd. Euro (2009) für ihre Haustiere springen. Außerdem ist es schwierig, zwischen Lieblingsfilmen, Lieblingsblumen, Lieblingsstars und Lieblingsgerichten auch noch den Lieblingspartner zu finden. Der müsste schließlich die gleichen Lieblingsfilme, -blumen,-stars und –gerichte dauerhaft nachweisen. Erhöht wird der Schwierigkeitsgrad dadurch, dass unser Lieblingsfilm mit jedem Kinotag und damit auch unser Lieblingsstar wechselt, unser Lieblingsessen sich mit der Tagesform ändert und unsere Lieblingslieder sowieso stimmungsabhängig sind. Fakt ist aber auch, dass mit gestiegen Lebenserwartung mehr Zeit zum Lieben bliebt. Damit sollte doch auch der Lieblingspartner Platz zwischen allen anderen Lieblingsdingen finden. Dennoch hält die Ehe nur selten bis zur Beerdigung, sondern endet meistens mit der Selbstverwirklichung (Durchschnittlich nach 14 Jahren und 6 Monaten). Nur die wenigstens scheinen noch bereit, auf einen Abend bei ihrem Lieblingsitaliener, mit ihrer Lieblingspizza sowie ihrem Lieblingswein und ihrem Lieblingskeller aus Liebe zum Lieblingspartner zu verzichten.
Klar ist, dass es in unserer Welt in jeder Situation die “Qual der Wahl“ gibt und die meisten Entscheidungen viel Liebe bedürfen. Ist es da nicht einfacher, wenn ihr den größten Teil eurer Liebe, eurem Lieblingspartner schenkt, dann ist nicht mehr so viel Liebe für die anstehenden Entscheidungen übrig und vor allem: Ihr könnt nicht mit so viel Liebe die Kaufentscheidung für das Valentinstagsgeschenk fällen und guten Gewissens das angepriesenen, einzigartige Produkte aus der Verbraucherinformation erstehen.

In diesem Sinne,
euer Feuerlescher


18
Jan

Nicht für die Schule, sondern für das Leben lernt ihr!

In dieser Woche twitterte eine Schülerin: „Ich habe gute Noten, aber vom Leben null Ahnung. (…) Ich bin fast 18 und hab keine Ahnung von Steuern, Miete oder Versicherungen. Aber ich kann ’ne Gedichtanalyse schreiben. In 4 Sprachen.“

Nicht nur als Lehrer habe ich größten Respekt vor jedem, der vier Sprachen beherrscht. Der Erwerb von Fremdsprachen ist begleitet von Informationen über die Regionen, in denen diese Sprachen gesprochen werden, so dass neben der reibungsfreien internationalen Kommunikation auch Toleranz und Respekt gegenüber anderen Kulturen den Lernenden ermöglicht werden. Die Kenntnisse über Stilmittel in Gedichten ermöglichen uns, das realitätsnahe Verständnis von Wohnungsanzeigen oder Beurteilungen: Nur so erkennen wir, dass „er hat sich stets bemüht“ so viel bedeutet, wie „er hat viel probiert und nichts geschafft“. Es hilft uns zu wissen, dass eine mit „gutem Verkehrsanschluss“ inserierte Wohnung direkt an der Autobahn liegt oder man diese zumindest aus dem Schlafzimmer nicht überhören kann. Desweiteren frage ich mich: Was hilft es, jungen Menschen zu erklären, welche Versicherungen sie benötigen, wenn sich die Versicherungen jährlich ändern. Abgesehen davon kenne ich bis heute niemanden, der sämtliche Versicherungen gesichtet hat, um objektiv und wohlwollend zu beraten. Sollte nun auch noch das Steuerrecht Einzug in die deutschen Schulen erhalten, dann gibt es einen neuen Anwärter auf den Spitzenreiter im Ranking der unbeliebtesten Unterrichtsfächer. Aber auch in diesem Fall muss kein Steuerberater um seine Existenz fürchten, denn wie viele von uns können fünf Jahre nach dem Schulabschluss noch Integrieren oder Ableiten. Die Schule hat uns gezeigt, dass wir solche komplexen Phänomene verstehen können. Da sollten wir uns Steuern, Mieten und Versicherungen auch erschließen können. Doch wer will schon etwas von Steuern hören, solange das Taschengeld steuerfrei ist? Wer möchte schon etwas von Miete hören, solange Mutti morgens das Bett macht? Wer möchte schon etwas über Versicherungen hören, wo doch Vati alles regelt? Wer aber in der Schule gelernt hat, dass er die antiquiertesten, uninteressantesten und schwierigsten Aufgaben in den Abschlussklausuren lösen kann, der sollte auch das Selbstbewusstsein haben, sich die aufkommenden Steuer-, Miet- oder Versicherungsfragen beantworten zu können.

In diesem Sinne,

euer Feuerlescher


22
Dez

Wer im Glashaus sitzt, sollte nicht mit Steinen werfen!

Das Sprichwort scheint an Aktualität nicht zu verlieren. Es gibt in heutiger Zeit Menschen, die keine Fahrerlaubnis haben, jedoch für Autos und damit das Autofahren werben. Es gibt Menschen mit der Idee „Wer dauerhaft hier leben will, soll dazu angehalten werden, im öffentlichen Raum und in der Familie deutsch zu sprechen!“. Doch zahlreiche Wähler dieser Menschen vertreten die Haltung „Kinna dad i scho, oba meng dua i ned!*“, wenn sie nach Hochdeutsch gefragt werden. Ferner gibt es Menschen, die „keine Toleranz gegenüber straffälligen Asylbewerbern fordern“, aber selber von der Toleranz des Strafsystems profitierten. Kopfschütteln verursacht bei mir die Forderung nach einem Asylrecht ähnlich dem in Kanada oder der Schweiz, wo lediglich gesuchten Fachkräften der Weg ins Land geebnet wird. Gerade dann wenn Menschen ihre Stimme erheben, die selber schon einmal abgeschoben wurden. Ich lese von der heroischen „Verteidigung des Abendlandes“ und frage mich, wer das Morgenland vor der westlich-kapitalistischen Kommerzialisierung verteidigt. All die Wolkenkratzer, Hotels, Fastfoodketten und Autostraßen verschaffen den traditionell-orientalischen Städten Skylines, die so einmalig sind, wie ein Schwein im Mastbetrieb.
Das alles soll nicht heißen „Wer von euch ohne Sünde ist, werfe den ersten Stein!“ oder „Haltet euch raus!“, sondern: Passt auf und fragt nach, gerade dann, wenn mal wieder mit zweierlei Maß gemessen wird.

In diesem Sinne wünsche ich euch frohe Weihnachten und einen guten Jahreswechsel,
euer Stefan


18
Dez

Autokauf

Eines meiner aktuellen Projekte heißt Autokauf. Zunächst eine kurze Vorabinfo: Ich spare seit 5 Jahren, habe keine Ahnung von Autos und nach 5 Jahren mit Opas Opel sowie weiteren 4 Jahren mit dem seniorengerechten Fahrvergnügen der A-Klasse, erschien mir beinahe jede Karre als jung, dynamisch und sportlich. Ihr merkt schon: Je weniger ich selbst diese Attribute verkörpere, desto mehr muss das Auto sie repräsentieren.
Im üblichen Outfit, also mit Sneakers, Jeans und T-Shirt, ging es ins erste Autohaus. Ich schaute mir die Wagen an, doch keiner der gelangweilt herumstehenden Autoverkäufer machte Anstalten, mich zu beraten. Erst nachdem ich aggressiv das Schließverhalten des Kofferraums und die Hupe getestet hatte, wurde ich wahr genommen. „Ehy, Junge, das ist hier kein Spielplatz! Sieh zu, dass du Land gewinnst!“ Ungläubig trottete ich aus dem Autohaus. Mit etwas Abstand freue ich mich gerade immer noch wie ein Alkoholiker über Freibier, dass der Autoverkäufer mich für so jung hielt. Da wir aber dringend ein Auto benötigten, machte ich mich direkt auf den Weg zum nächsten Autohaus. Ich hatte dazugelernt und steuerte direkt den ersten Autoverkäufer an. Er probierte noch auszuweichen, aber reaktionsschnell begrüßte ich ihn schon von weitem. „Gut, sie möchten ein Auto kaufen. Welche Vorstellungen haben Sie?“ Ich ratterte meinen Wunschzettel runter, worauf er kurz den Blick von seiner Tastatur hob und festellend fragte: „Sie möchten also finanzieren!?“ – „Warum?“, fragte ich irritiert: „Ist das günstiger?“ – „Nein, aber irgendwie müssen sie das Auto bezahlen!“ Ich entgegnete: „So ein Mist, ich war überzeugt, ich hätte alles bedacht“, lächelte und zog von wieder dannen. Wieder etwas cleverer, rief ich beim nächsten Autohaus an und vereinbarte eine Probefahrt. Nachdem ich meinen Perso als Pfand abgegeben hatte, konnte ich direkt losfahren. Nach der Probefahrt fragte der Verkäufer völlig gleichgültig, ob mir das Auto gefallen habe. Ich zeigte mich begeistert von dem Boliden und verabschiedete mich mit dem Wunsch eines Angebots für eine Barzahlung. Bis heute warte ich darauf. Aber wie soll der Autohändler mich auch erreichen, wo er sich weder für mich, noch für meine Email-Adresse oder meine Telefonnummer interessierte.
All diese Erfahrungen zeigten mir, dass ich wohl doch noch deutlich jünger, dynamischer und sportlicher wirke, als ich mich fühle und es mir daher auch weiterhin leisten kann, in der seniorengerechten Familienkutsche über die Straßen zu gondeln.

In diesem Sinne,
euer Stefan

PS: Falls dies hier ein Autohändler liest: Die Redewendung „Kleider machen Leute“ stammt aus dem 16. Jahrhundert. Da gab es noch keine Autos!


28
Nov

Fürchtet euch, denn wie schnell ist nichts passiert!?

Auf der Suche nach einer guten Geldanlage stolperte ich über folgende alarmierende Überschrift „Negativzinsen für Sparer – Bank verlangt Geld für Spareinlagen!“. Geschockt erreichte ich meine Bank gerade eben vor Toresschluss, um mein Erspartes zu sichern. Zuhause versteckte ich die paar Euros unter dem Kopfkissen und checkte auf dem Weg zum Abendessen die Nachrichten „Volkskrankheit Burnout – müssen wir bald alle zum Psychiater?“ Mein Atem stockte. Erschreckt blickte ich auf und sah die Approbationsurkunde meiner Freundin. „Puuh“, dachte ich erleichtert: „Den Gang kann ich mir sparen!“ und las weiter: „Russland dreht den Gashahn ab! Die deutschen Gasreserven reichen nur noch 100 Tage! Der Gaspreis steigt!“ Von der Überlebensangst getrieben, probierte ich, dem sicheren Kältetod mit der Anschaffung eines Holzkohleofens mit Expresslieferung zu entrinnen. Als ich den Ofen gerade aufgebaut hatte und mir die romantischen Winterabende vor dem knisternden Feuer vorstellte, blinkte eine Pop-Up-Nachricht auf dem Handy „Alarm! Vogelgrippe in Europa! Deutsche Betriebe betroffen!“. Ich kann euch sagen, Hähnchen-Curry ohne Hähnchen ist wie der King ohne Burger. Nach dem vermeidlichen Abendessen schweifte mein Blick wieder über die Nachrichten „Das sind die Drehkreuze der Ebola-Seuche – Übersicht der Ebola-Fälle in Europa!“. Von der Angst vor dem Killervirus gepackt, las ich den Artikel, orderte umgehend im Online-Shop Schutzkleidung sowie Desinfektionsspray und registrierte mich auf der Warteliste für das erste Impfserum. Als die Lieferung angekommen war und ich die Schutzkleidung anprobiert hatte, konnte ich endlich beruhigt einschlafen. Am nächsten Morgen titelte die Tageszeitung „IS-Terror in Deutschland“- Sollte ich Opfer eines Anschlags werden? Wie aus Reflex überprüfte ich meine Kontaktliste nach möglichen Schläfern und Salafisten. Da mich schon der Kindergarten gelehrt hatte, niemandem zu vertrauen, löschte ich sicherheitshalber mein Adressbuch, begann den Koran zu studieren und beschloss die nächsten Wochen im Keller zu verbringen. Dort sitze ich immer noch auf meinen Ersparnissen, vor meinem Holzkohleofen, in meinem Ebola-Schutzanzug, mit vegetarischen Konserven, hinter einer feuerfesten Bunkertür und freue mich, dass mir noch nichts passiert ist. Aber auch nichts passiert.


6
Nov

Weselhimmel

Es war einmal ein großes Bonbongeschäft, dass das ganze Land mit verschiedenen Bonbons versorgte. In diesem Geschäft arbeiten viele Verkäufer, aber auch Bonbonbäcker sowie Raum- und Bodenkosmetiker. Lange Zeit war es das einzige Bonbongeschäft im Land, weil es als einziges die Bonbonmaschine benutzen durfte. Seit einiger Zeit dürfen auch andere Geschäfte mit der Bonbonmaschine arbeiten, jedoch nur um seltene, nicht besonders nachgefragte Bonbons zu produzieren.
Irgendwann kamen die Bonbonverkäufer auf die Idee, für einen besseren Lohn zu streiken. Sie wählten einen Streikführer, der nach kurzer Zeit nicht nur die Verkäufer sondern auch die Bonbonbäcker und Raumpfleger vertreten wollte. Um seine Macht zu demonstrieren, rief er nach mehreren kleinen Streiks zu einem großen Streik auf. Die ohnehin schon strapazierten Kunden mussten sich Alternativen suchen, um nicht zu unterzuckern. Einige Kunden wichen auf das Schokoladengeschäft aus, welches rasch die Kundenanfragen nicht mehr bearbeiten konnten, sodass es sich bis weit vor das Geschäft staute. Andere Kunden probierten die selteneren Bonbons der kleinen Bonbongeschäfte, kamen auf den Geschmack und brauchten fortan das große Bonbongeschäft nicht mehr. Irgendwann hielt der Geschäftsführer des großen Bonbongeschäfts dem Druck der Verkäufer nicht mehr stand und erhöhte deren Löhne, jedoch nicht ohne im Hinterkopf die Möglichkeit von Einsparungen durch Kündigungen von Verkäufern durchgespielt zu haben. In jüngster Zeit fehlen dem großen Bonbongeschäft viele Kunden, sodass der Geschäftsführer gezwungen war Mitarbeiter zu entlassen bzw. die Qualität der Bonbons zu senken, um konkurrenzfähig zu bleiben. Einige Kunden blieben dem Geschäft erhalten, weil die seltenern Bonbons für sie nicht in Frage kamen, sodass das Geschäft ohne wirtschaftlichen Spielraum sein Dasein fristet.

In diesem Sinne,
euer Feuerlescher

PS: Danke, Herr Weselsky, dass wir wieder jedem in Deutschland zu tiefst dankbar sind, wenn sie blos zur Arbeit gehen.


10
Okt

Klassentreffen

Beinahe 10 Jahre haben wir uns den Klassenraum geteilt, knapp weitere 10 Jahre haben wir nix voneinander gehört und trotzdem verbringen wir jetzt einen Abend zusammen. Ich landete an einem Tisch mit vier Anzugträgern. Natürlich hatte ich keinen wiedererkannt, aber das schien den anderen auch so zu gehen. Anstatt alter, peinlicher Kindheitsgeschichten hörte ich nur das Stöhnen über den Arbeitsalltag.

„Puh, ich muss noch eine Präsentation für das Meeting Morgen fertigstellen. 30 Minuten muss ich das Board in den Workflow unser Company eingrooven!“ – „Ach, das ist ja noch nichts“, sagte ein anderer: „Ich muss morgen mal wieder mein 10-köpfiges Team briefen, damit es die Corporate Identity unserer Brand verstehen!“ – „Ihr habt es ja noch gut! Ich habe morgen ein Conference, um meine success Story zu streamlinen und werde ein paar Couch-Potatoes aus der Marketingabteilung outsourcen, um das Team down zu sizen.“ – „Das kann ich noch toppen. Ich muss das Board überzeugen, dass ich zu den High Potentials gehöre und meine Performance langfristig den besten Benefit erzielt.“ – „Uff, dass klingt echt nach harter Arbeit“, heuchelte ich Mitleid und holte aus: „Also ich habe morgen vier Meetings vor der Brust. Als Erstes muss ich eine Gruppe aggressiver Partner im Briefing die veränderte Bedeutung von Standortfaktoren durch die Tertiarisierung nahe bringen, danach folgt ein Perspektivgespräch zum Outsourcen eines Mitarbeiters. Darauf folgt die Leitung eines Brainstormings zur landwirtschaftlichen Nutzung der Hohen Mark und abschließend eine 90-minütiges Rollenspiel für meine High Potentials zur Bewertung des Strukturwandels im nördlichen Ruhrgebiet mit anschließender Mitarbeiterevaluation.“ – „Krass! Das ist heftig!“, staunten alle: „Wir dachten immer, du bist nur Lehrer geworden!?“ Ich lächelte: „In der ersten Stunde wiederhole ich für meinen Grundkurs per Lehrervortrag die Standortfaktoren, danach habe ich ein Elterngespräch zum Nutzen eines Schulwechsels, darauf folgt der Einstieg ins Thema Landwirtschaft mit der Klasse 9. In der folgenden Doppelstunde bewertet mein Leistungskurs die Ergebnisse des Strukturwandels und zu guter Letzt folgt eine Notenkonferenz.“ Schlagartig wandelte sich die anerkennende Stimmung in schallendes Gelächter: „Ja, ja! Morgens recht und Nachmittags frei, ne!?“

In diesem Sinne,

euer Stefan

PS: Der nächste Feuerlescher erscheint natürlich am 11.11.2014.


31
Aug

Challenge accepted

Da hat es mich auch erwischt. Vielen Dank für die Nominierung! Endlich darf ich auch etwas Gutes tun und drei weitere schlechte Menschen durch meine Nominierungen ein Stück besser machen.

Ich gehöre zur Gründergeneration der Selbstdarsteller. Mit der Lebensweisheit „Tue Gutes und rede drüber!“ steckten die Möglichkeiten sich selber ins rechte Licht zu rücken noch in den Kinderschuhen. Zu nächste musste ich mir selbstständig etwas Spektakuläres überlegen und dann die Aktion auch noch so heroisch-dramaturgisch schildert können, dass mir jemand zuhört! Mit dem Aufkommen der sozialen Netzwerke, erhielten auch endlich die Unkreativen oder weniger Wortgewandten ihre Chance auf Selbstdarstellung. Mit einfachen Posts, wie „Arrived @ NY-Airport“, war die Welt schnell informiert, dass man sich einen Urlaub im Land der unbegrenzten Möglichkeiten erlauben konnte und der Pool an Neidern war schnell gefüllt. Ungefragt teilt mir mein Freundeskreis seit dem seine „Sportaktivitäten“, Beziehungsstatus und natürlich die Konsistenz des Stuhlgangs mit. Am Rande sei kurz notiert, dass sich meine Schüler auf diesem Informationsweg vermutlich deutlich besser an die Atommodelle erinnern könnten, als wenn sie sie auf dem klassischen Weg des Unterrichts empfangen, aber ich will beim Thema bleiben. Seit nicht allzu langer Zeit wird man mit Selfies zugeschmissen. Egal, ob das Foto den Selfie-Schützen mit einem B-Prominenten, an einem berühmten Ort oder einfach nur granatenstramm und halbnackt auf dem Gehweg zeigt. Keine fragt mich, ob ich dieses Bildmaterial haben möchte. Ich bekomm es einfach. Nun, da auch der letzte Fürst verstanden hat, was Selfies sind, werden eigene Videos gepostet, die schreien: „Seht her, ich bin beliebt, mich hat jemand nominiert! Seht, ich habe drei Freunde, die ich nominiere! Schau, ich tue Gutes, ich bin ein guter Mensch!“ Die Videoproduktion, das Hochladen, das Ansehen und das Kommentieren eines Videos rauben wahrscheinlich mehrere wertvolle Minuten, in denen man prima Gutes tun könnte, jedoch würde davon keiner mitkriegen. Genau wie dieser Text;-)

Versteht mich nicht falsch. Ich freu mich über jeden, der sich an der Spendenkampagne für die ALS Erforschung und Bekämpfung beteiligt, aber ich freu mich über jeden, der Gutes tut, egal ob er das Bedürfnis hat seine Samariterseite der Welt videographisch aufzudrängen oder nicht.

Ich nominiere Tick, Trick und Track 😉

In diesem Sinne,

euer Feuerlescher

PS: Als Erdkundelehrer würde michbesonders interessieren, ob die Ökobilanz der Ice Bucket Challenge in Zeiten der globalen Erderwärmung überhaupt stimmt!?