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Jan

Seitenwechsel

Hinten am Fenster! Da war mein Platz. Kurz vor acht gehörte ich zu den fleißigsten Schülern überhaupt, sofern mir jemand seine Hausaufgaben borgte und sofern ich den Schulbesuch einrichten konnte. In den seltensten Fällen hatten meine Noten weniger als sieben Buchstaben oder bestanden gar aus zwei Wörtern. Dafür wurde ich auf jeder Konferenz definitiv einmal namentlich erwähnt! Im Lehrerzimmer war ich so beliebt wie die Schulhofaufsicht bei ‑10 °C. Natürlich nur deswegen – ausschließlich deswegen – wurde ich häufiger zur Nachprüfung eingeladen. Dennoch wurde ich immer versetzt! Nicht nur von der letzten in die erste Reihe oder ans Waschbecken. Ich war einer von euch! Täglich disktutierte ich mit meinen Kollegen: Wer hat am wenigsten gemacht? Wer hat am häufigsten gefehlt? Kurz um: Wer hat mit dem geringsten Aufwand am meisten herausgeholt?

Und jetzt?

Jetzt stehe ich jeden morgen vorne an der Tafel und frage mich: Warum kommt Oswald immer zu spät? Warum haben nur drei Leute die Hausaufgaben? Warum freut sich keiner nach einem langen Wochenende auf die ersten beiden Stunden am Montagmorgen?

Ich kenne die Antworten! Doch, warum muss man erst die Schule beenden, um zu verstehen, dass man zwölf Jahre (plus X) auf dem Holzweg war?


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