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Feb

Auf dem Weg zum Flirtgott (II/III)

Ich saß wieder in meiner Lieblingskneipe. Ein wenig müde zog ich die Pfütze Cola aus meiner Flasche und blickte trübsinnig rein. Dann stockte mein Atem. Mit einem Schlag war ich hell wach. Der Traum meiner schlaflosen Nächte betrat die Kneipe. Nachdem ich letztes Mal schon versäumt hatte, sie anzusprechen, musste ich unbedingt eine Möglichkeit finden, an sie heranzukommen.

Doch wie sollte es gehen? Was sollte ich tun? Ich befand mich  in einer Zwickmühle: Entweder ich würde mich mit einem öden Flirtspruch bis auf die Knochen blamieren oder mir immer vorwerfen müssen, es nicht wenigstens versucht zu haben. Doch bevor ich mich entschieden hatte, war ich nicht mehr der einzige Interessent. Ein recht großer, muskulöser Kerl ging direkt auf sie zu. Er sprach sie an. Kein Wunder, bei ihrem herrlichen Lächeln, bei ihrer überragenden Ausstrahlung . . . . Nie hatte ich gewagt, von solcher Perfektion zu träumen.

Doch in diesem Moment waren alle meine Hoffnungen verflogen, schließlich wusste ich absolut nicht, was ich tun sollte. Sie flirtete während dessen eifrig mit dem Muskel-Mann. „Was hat er, was ich nicht habe? Warum hört sie ihm zu und mir nicht?“, von diesen Fragen gequält und vom Neid geplagt, begann ich mich mit ihrem Flirt zu vergleichen. Schnell merkte ich, dass er mich schon durch seine Bräune ganz blass in die Ecke stellte. Seine in ein hautenges T-Shirt verpackten Muskelpakete ließen mich abgemagerten Hungerhaken noch nichtiger erscheinen. „Das war also der Weg zum Erfolg“, dachte ich und überlegte schon, welches Fitness Studio das günstigste sei, da fiel mir auf, wie meine Traumfrau zu ihm hinaufschaute. Doch auf die Schnelle kann ich nichts an meiner Größe ändern. Dafür gelang es mir im Handumdrehen mein Kaugummi genau so ultralässig zwischen den Zähnen zu balancieren wie ihm, denn er schien damit zu überzeugen. Außerdem musste ich mir noch eine möglichst auffällige Goldkette bei Ebay ordern, denn diese schien eine magnetische Wirkung auf die Blicke der Prachtschnitte zu haben.

Nach diesem für mich erschreckend ausgefallenen Vergleich wollte ich wissen, was nun dahinter steckt und ob die schnittigste aller Schnitten sich mit ihm einlässt. Ich beobachtete diesen Frauenschwarm und natürlich den Traum meiner schlaflosen Nächte vom Nebentisch. Wie sie über seine Witze lachte und mit ihm anstieß. Neben einer Dauerkarte im Fitnessstudio, einem Abo in der Sonnenbank und einem Goldkettchen musste ich es nur noch schaffen, immer eine Geschichte am Start zu haben, ein paar Witze zu reißen und immerzu breit zu grinsen. Sollte ich es dann noch schaffen, gut gemeinte, die Tatsachen verdrehende Komplimente anzubringen, dann hätte ich wenigstens ein paar Chancen das Rennen zu machen.

So saß ich lange grübelnd vor meiner Cola und musste hinnehmen, wie sich die Frist Lady unter den Schnitten angeregt mit ihrem Flirt unterhielt. „Was wäre ich gerne an seiner Stelle!?“ Mit jeder Minute, die er mit meiner Traumfrau redete, zog sich die Schlinge um meinen Hals enger. Als mein Atmen fast erloschen war, kamen ihre Freundinnen und sie ließ ihn links liegen. Da konnte ich wieder frei aufatmen und ihren Anblick genießen, davon träumen, dass ihre funkelnden Augen mich ansehen, ihr herrliches Lächeln mir gilt und ihre geschmeidigen Lippen mit mir sprechen.

Als sich die Kneipe leerte, saß ich wieder da wie ein Häufchen Elend. Auch überdimensionale Muskelmaßen, künstliche Maximalpigmentierung, umhüllt von einem hautengen, durchsichtigen T-Shirt gekrönt von einer dicken Goldkette waren nicht der Schlüssel zu der schnittigsten aller Schnitten. Mit dem Gefühl kein Stück weitergekommen zu sein, ging ich nach Hause, legte mich ins Bett, stellte die Welt in Frage und träumte von ihr.


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