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Apr

Meine Lieblingslehrerin

Ich weiß es noch, als wäre es gestern: zehnte Klasse, zweite Stunde, Englisch bei Frau Müller, die ich im Übrigen hasste. Der Unterricht war gerade gestartet, da kündigte Frau Müller einen spontanen Vokabeltest an. Ich hatte schon erwähnt, dass ich diese Frau hasste? Nachdem ich sechs aus 49 Vokabeln übersetzen konnte, ging es nahtlos zur Besprechung der Hausaufgaben. „Stefan, bitte lies mal deine Hausaufgaben vor!“, forderte Frau Müller. Hatte ich erwähnt, dass ich diese Frau hasste? Geistesgegenwärtig bediente ich mich an Sandras Heft und trug vor. „Danke Stefan, deine Hausaufgaben weisen gravierende Mängel in der Grammatik auf. Komm doch nach der Stunde zu mir!“, bewertete Frau Müller, die ich im übrigen hasste, Sandras Hausaufgaben. Sofort war mir klar, dass ich Sandra Nachhilfe anbieten müsse. Danach diskutierten wir über den Sinn von William Goldings „Lord of the flies“. Dieses Buch wurde ausgesucht, weil es soooo viel hergibt, zumindest sagte das Frau Müller. Hatte ich erwähnt, dass ich diese Frau hasste? Als die Stunde fast gelaufen war und ich mich schon in Sicherheit glaubte, verkündete Frau Müller: „Wir schreiben die Klausur doch noch vor den Osterferien!“ Ich erwähnte bereits, dass ich diese Frau hasste! Nach der Stunde stapfte ich wiederwillig zu Frau Müller, um mir Sandras Englischdefizite erklären zu lassen und optimale auf die Nachhilfe vorbereitet zu sein. Ich hatte erwähnt, dass ich Frau Müller hasste, oder!?

Als ich nach der Schule auf meinen Kollegen wartete, kam Frau Müller vorbei, blieb vor mir stehen und sagte: „Ist es nicht prächtig, dass wir beide uns so gut verstehen?“


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