2
Jul

Haben wir in der Pandemie gelernt?

Nach vier Monaten Corona-Transformation bin auch ich in der neuen Realität angekommen. Überall heißt es: „Wir haben aus der Pandemie gelernt!“ Da frage ich mich: „Was genau?“
Donald Trump bringt die bahnbrechende Idee, Menschen Desinfektionsmittel als Schutz vor dem Corona-Virus zu spritzen. Den Gedanken weitergesponnen, frage ich mich, warum ich nicht USB-Sticks gefrühstückt habe anstatt zu studieren oder mich jeden Morgen über mein Gewicht ärgere, anstatt einmal mit Pril, dem Fettlöser, mein Waschbärbauch zum Waschbrettbauch zu machen. Vielleicht glauben auch unsere Entscheidungsträger an solche Lösungen. Neue Festplatte für Demenzkranke oder Waschstraßen für Pflegebedürftige. Wie sehr wurden während des Lockdowns unsere Alltagshelden in der Pflege und an den Supermarktkassen gelobt und verbal gewürdigt. Nur ein kleiner Teil von Ihnen erhält nun die versprochene Prämie von 1500 Euro. Das Geld braucht das Land nämlich für marode Fußballvereine, da Fußballer eine 1500 Euro Prämie vermutlich schon erhalten, wenn sie es pünktlich zum Trainingsplatz schaffen. Beim Fußball habe ich dazulernen: Die Fußballbundesliga lief unter nur schwer nachvollziehbaren Hygienebestimmungen wieder an, während Schulen zunächst sehr weit weg vom Regelbetrieb waren. Wenn das so weitergeht, könnte bald tatsächlich ein signifikanter Teil der Bevölkerung die oben genannten Lösungsvorschläge als sinnvoll erachten. Diese Bevölkerungsgruppe stellt sich dann vermutlich auch nicht mehr die Frage, warum man die eigenen Mitspieler beim Jubeln nicht berühren soll, Gegenspieler bei Standards aber herzen darf wie in Liebesschnulzen. Bleibt festzuhalten: „In der Schule wurde während der Pandemie eher weniger gelernt.“ Was hat die Gesellschaft statt dessen gemacht? – Wie gesagt, wir unternahmen große Anstrengungen, um Millionären das Fußballspielen zu ermöglichen und Innenstädte als Relikte des letzten Jahrhunderts zu konservieren. Das Feiern ist in größeren Gruppen wieder erlaubt, der Schulbesuch nicht. Ich habe sicherlich nicht alle Seiten der Medaille im Blick und bin weder Virologe noch Politiker, aber wenn mich nicht alles täuscht, fußen unsere glücklichen Lebensumstände nicht auf Fußball, Shopping und Partys sondern auf Innovation und Technik. Perspektivisch vielleicht nicht so klug in Brot und Spiele zu investieren statt in Bildung und Schulsystem. Dabei ist gerade jetzt die Chance so groß, Bildung zeitgemäß anzubieten. Ein Beispiel: Kein Arbeitgeber wird seine Mitarbeiter beauftragen, ein Problem in 4 Stunden, in völliger Isolation, ohne Bewegung, auf zu kleinen Stühlen hockend, mit Zettel und Stift in einem Aufsatz zu lösen. Aber genau so laufen Abiturprüfungen ab. Ich sollte mich also nicht wundern, wenn ein studierter Mann mit Föhnfrisur für mich skurrile Wahrheiten als Licht bringt. Er ist also nicht zwingend debil oder macht bewusst Fehler. Er hat vielleicht einfach gelernt, im beschriebenen Abitur-Klausur-Setting zu arbeiten. Unter den Bedingungen kann man vielleicht zu dem Schluss kommen, dass sein Corona-Krisenmanagement tadellos war und seine Amtszeit ein Erfolg auf allen Ebenen. Bleibt zu hoffen, dass die Wählerschaft in den USA in den letzten Jahren in einem anderen Setting gelernt hat und dadurch auch aus anderen Perspektiven auf die Welt blickt. Wir werden es am 3. November erfahren.


9
Apr

Schulöffnung in der Europa-Klasse

Drei Wochen vor Beginn der Osterferien wurden wir ins Homeschooling geschickt. Mit dem Einsetzen der Osterferien tritt bei mir etwas Ruhe ein und die möchte ich natürlich nutzen, um bereit für den Tag X, die Schulöffnung, zu sein. Wie man es aus anderen Sparten des Katastrophenschutzes kennt, bereite auch mich mit einem Übungsmanöver auf die Standards im Lehreralltag vor. Da jeder mal zur Schule gegangen ist, wird es euch nicht schwer fallen, euch in das Szenario reinzudenken:             

Stellt euch vor, ihr müsst als in Belgien geborene Medizinerin fachfremd Politik unterrichten und die Themen „Solidarität“ und „Gemeinschaft“ besprechen. Neben eurem Medizinstudium verfügt ihr über Berufserfahrungen in der Familie und dem Militär. Eure Aufgabe ist, die 27-köpfige Lerngruppe auf die anstehende Prüfungsphase vorzubereiten. Einige von Ihnen sind richtige Streber, haben schon früh angefangen sich vorzubereiten und aufgrund ihres Elternhauses auch die finanziellen Möglichkeiten. Andere spielen aus Bequemlichkeit die Bedeutung der Prüfungszeit herunter, geraten dann in Panik und sind in den Prüfungssituationen nicht auf der Höhe. Außerdem gibt es natürlich die Problemfälle in der Klasse, die schon seit Jahren um die Klassenzugehörigkeit kämpfen. Bei Ihnen finden zwar immer die besten Partys statt, aber wenn es wirklich ernst wird, erinnern sich die Streber nicht. Die Problemfälle erbeten sehr kurzfristig und unstrukturiert Hilfe von den Klassenstrebern. Diese helfen natürlich auch gönnerisch, aber nur in dem Rahmen der für sie keine großartigen Einschränkungen bedeutet. Außerdem gibt es auch in dieser Klasse ein paar radikale Einzelgänger, die gerne alleine bestimmen möchten und die Klassenregeln mit Füßen treten. Weitere Störfaktoren sind ein ehemaliger Schüler, der die Klasse vor Kurzem verlassen hat, aber auch an den Prüfungen teilnehmen muss und ein großmauliger Orangenkopf aus der Parallelklasse. Beide haben gemeinsam, den wissenschaftlichen Unterrichtsmaterialien oder der Expertise der Lehrkräfte wenig Vertrauen zu schenken, dafür aber im Pippi-Langstrumpf-Style sich die Dinge so zurecht zu legen, wie sie ihnen gefallen. Mit Beginn der Prüfungsphase scheint das jahrelange Sozialtraining zum Teambuilding fast vollständig vergessen. Die meisten isolieren sich und arbeiten alleine. Herausforderungen sind somit vor allem die Heterogenität, die fehlende Kooperation und das divergierende Verständnis von Solidarität.              

Eine wahre Herkulesaufgabe! Dass ich aus dieser Zweckgemeinschaft eine solidarische Einheit forme, ist ähnlich realistisch wie die Chance, dass Donald Trump sich an seine gestern gesprochenen Worte erinnert, Victor Orban als Musterdemokrat ausgezeichnet wird und Händeschütteln weiterhin zum guten Ton gehört. An meiner romantischen Zukunftsvorstellung von solidarischer Klassengemeinschaft möchte ich dennoch festhalten, denn Klassen die große Schwierigkeiten gemeistert haben, feiern die bestehen Ehemaligentreffen und die größten Problemschüler machen nicht häufig steile Karrieren.

In diese Sinne

euer Feuerlescher


20
Mrz

Gedanken zum Corona-Virus

Der Corona-Virus beherrscht aktuell die Tagespresse und auch das Tagesgeschehen. Als Jürgen Klopp nach dem Virus gefragt wurde, stellte er fest, dass er Fußballtrainer und damit kein Experte auf dem Gebiet ist. „Wow,“ habe ich gedacht: „wenn alle so handeln würden, hätte ich letzte Woche nicht vergeblich Klopapier im Supermarkt gesucht.“ Die Obst- und Gemüseauslagen waren im übrigen noch prall gefüllt, sodass ich immer noch denke: „Komisch, meinem Körper ist es wichtiger, Essen zu haben, als Gegessenes zu entsorgen.“ 

Was mir auch noch wichtig ist, ist der Umgang mit meinen Mitmenschen. Macron, Trump und Johnson sprechen in ihren Reden an ihre Nationen vom Krieg gegen das Corona-Virus. Angela Merkel sagte in ihrer Fernsehansprache: „Es kommt ohne Ausnahme auf jeden Einzelnen und damit auf uns alle an. (…) Im Moment ist nur Abstand Ausdruck von Fürsorge.“ Da bin ich doch froh, dass ich nicht in einem Land voller Krieger gegen das Virus kämpfe, sondern gemeinschaftlich und solidarisch mit meinem Mitmenschen der Corona-Krise begegne. Auch wenn ich mir nicht ganz sicher bin, ob nicht doch ein paar Klopapierritter unter uns sind, die im Krieg in deutschen Supermärkten in der Drogerieabteilung kämpfen. 

Die Klopapierproduktion kann also hochgefahren werden, doch der Flugverkehr in Europa kommt fast vollständig zu erliegen. Der Verkehr während der Rushhour auf Autobahnen erinnert an den Todesstreifen der ehemaligen innerdeutschen Grenze und ganze Betriebe gehen ins unfreiwillige Sabbatjahr. Weltweit kommen ganze Wirtschaftsbereiche zum Stillstand. Die ökonomischen und vor allem gesundheitlichen Folgen werden verheerend sein, jedoch bleibt eine beruhigende Gewissheit: Klimaschutz ist möglich, nur ist der Preis in diesem Fall definitiv zu hoch. Viele müssen um ihr Leben bangen und dennoch beschweren sich noch mehr über die Einschränkungen. Vielleicht fehlt mir hier als Familienvater einfach das Verständnis. 

Vor zwei Wochen: 

–        Großveranstaltungen mit mehr als 1000 Personen sollen vermieden werden. – Meine letzte Großveranstaltung an der mich meine Kinder teilnehmen ließen, war vermutlich das Schulfest vor 3 Jahren. 

Vor einer Woche: 

–        Alle Restaurants und Cafés haben nur noch überschaubare Öffnungszeiten. – Nachdem Sohn Nr. 1 den Cappuccino meiner Frau vor knapp 2 Jahren vom Restauranttisch zog und ich danach aussah, als hätten meine Inkontinenzschlüpfer versagt, ist ein Gastronomiebesuch für mich ohnehin keine Option mehr.

Diese Woche: 

–        Soziale Kontakte außerhalb der Familie sind zu meiden. – Durch das frühe Aufstehen unserer Kids, passen meine Wachphasen ohnehin nur bedingt zu denen meiner Freunde. 

–        Die Kitas werden genau wie die Schulen geschlossen. Auch hier ändert sich für mich kaum etwas: Sonst machen 30 Heranwachsende in meiner Anwesenheit, was sie wollen. In dieser Woche sind es immerhin nur 3!

Bleibt gesund!

In diesem Sinne

Euer Feuerlescher 


2
Mrz

Das Geschäft mit der Angst

Seit einiger Zeit informieren wir uns über die Möglichkeiten, einen Teil unseres häuslichen Energiebedarfs über autark gewonnene, regenerative Energien abzudecken. Ahnungslos bestellten wir einen Energieberater.

Ohne großartig nach unserer Motivation für die Anschaffung einer Anlage zu regenerativen Stromerzeugung zu fragen, begann er das Gespräch. Strukturiert arbeitete er seine Flyer ab. Als erstes stand die Strompreisentwicklung auf seiner Agenda. „Schauen wir uns ihren Strompreis an. Der wird, allein durch die natürliche Inflation von 2%, immer weiter steigen!“ – „Okay“, denke ich selbstregulierend: „Das federn wir ab, in dem wir ab jetzt nur noch im Discounter kaufen.“ Doch für den Berater war das erst der Aufschlag: „Wissen Sie, wie viel radioaktives Material in einen Castor passt?“ Irritierte Blicke von mir und meiner Frau. „Lediglich 150 kg! Da hat sich die Bundesregierung die Katze noch nicht aus dem Sack gelassen! Zur Inflation kommen als noch die Kosten für den Atomausstieg!“ Verunsichert schaue ich meine Frau an und überlege: „Ich kann vor der Schule noch Zeitungen austragen oder abends Regale im Supermarkt spiegeln.“ Doch der Experte legte gleich nach: „Wenn Sie die Stromrechnung nicht mehr bezahlen können, dann wird der Strom einfach abgeschaltet.“ Ich überlege: „Auf dem Wegen zwischen meinen zukünftigen drei Arbeitsstellen kann ich noch prima Pfandflaschen sammeln,“ und fühlte mich sicher, doch der Fachmann hatte noch einen Pfeil im Köcher: „Ich denke, Sie sind über die aktuellen Entwicklungen informiert“, fuhr er fort: „Trotz der Corona-Epedemie können wir noch die Photovoltaikanlagen liefern! Jedoch können wir unser Angebot nur  48 Stunde aufrecht erhalten.“ Ich akzeptiere, dass ich vor der Schule Zeitungen austrage und nachher im Supermarkt aushelfe. Dort könnte ich auch direkt die tagsüber gesammelten Pfandflaschen abgeben. Alles eine Frage der Organisation. Bedrückt verabschiede ich den engagierten Mann an der Tür und mache mich direkt an die Organisation und die Bewerbungen. 

Zwei Tage später rief der Berater an und wollte gleich einen Installationstermin aus machen. Ich erkläre ihm, dass das warten muss, weil mir meine Maßnahmen gegen Altersarmut, Versorgungsunsicherheit und die drohende Pandemie keine Zeit ließen, um mich mit meiner Frau über eine derart kostenintensive Anschaffung auszutauschen. 

Da ich auch noch keinen weiteren Nebenjob gefunden habe, arrangiere ich mich derzeit mit der romantische Vorstellung, mit vielen Gleichaltrigen bei Altersarmut in unserem unbeheizten Haus im Kerzenlicht eiskalte, abgelaufene Dosenravioli von der Tafel zu genießen. 

In diesem Sinne

Euer Feuerlescher

Gewidmet ist der Text allen Panikkäufern. Hoffentlich lachen sie nicht zuletzt.


23
Feb

Ideelle Werte

Ein kleiner Hinweis eines Schülers, dass der Feuerlescher das Verfallsdatum noch nicht ganz überschritten hat, genügte mir, um mal wieder ein paar Zeilen in die Tasten zu hauen:

Am heutigen Karnevalssamstag war ich mit unseren Jungs in der Stadt. Der Drei- und der Zweijährige sind eher lebhaft. Stille ist für sie eine Aufforderung zum Singen und wenn es nicht gerade etwas zwischen die Kauleisten gibt, ist Rennen in entgegengesetzte Richtungen eine beliebte Alternative. Eine Skulptur, ein großer Springbrunnen oder ein Denkmal sind in ihrer Welt exotische Klettergerüste. Die Bank vor der Auslagetheke beim Bäcker ist dementsprechend nur eine Herausforderung. „Ehy, runter von der Bank!“ werden die beiden direkt angeschnauzt und belehrt: „Die ist nur für die Einkaufstüten!“ Unbeirrt von der barschen Unfreundlichkeit fordern unsere Jungs lautstark: „Brötchen!“ – Ich bestelle also entgegen der fehlenden Kundenorientierung: „Zwei Brötchen und einen Cappuccino-to-Go, bitte!“ Dabei reiche ich der Verkäuferin meinen mitgebrachten Coffee-to-Go-Becher und ernte erst irritierte, dann verachtende Blicke. Auch die restliche Kundschaft schaute skeptisch bis kritisch auf mich und meinen Becher. Widerwillig griff die Verkäuferin zu einem Handschuh und arbeitete die Bestellung ab, als hätte ich 500g Hack und zwei Wildschweine geordert. Als sie mir den Becher über die Theke reicht, wie ich der Mülltonne die Windeln unserer Jungs, wird mir klar, dass der Nachhaltigkeitsgedanke hier anders gelebt wird: „Akzeptanz für nachhaltiges Handeln durch wiederverwendbare Becher fehlt, dafür wird aber die Kundschaft von morgen nachhaltig vergrault!“

Mit diesem mulmigen Gefühl der sozialen Unerwünschtheit machten wir drei uns auf den Weg zum Kinderkarneval. Allein die Location, ein Schützenfestzelt, ist für mich nicht der passendste Ort für ein Kinderfest, aber die Stimmung war gut: Bei den Kindern, weil Unmengen von Bonbons verteilt wurden. Bei den Erwachsenen, weil es Gerstensaft, belanglosen Smalltalk und einen Rauchertisch gab. Allein der Zigarettenqualm mit Noten von Bierfahnen, Männerschweiß und süßlichen Karamellbonbons garantierten mir einen psychosomatischen Herpes. Ich fühlte mich so, wie die Bäckereiverkäuferin beim Anblick meines Coffee-to-Go-Bechers schaute und dachte: „Komisch, dass Drogenkonsum im Beisein von Kindern traditionell überliefert, gesellschaftlich akzeptiert und gesetzlich legitimiert ist, während die nachhaltige Nutzung von wiederverwendbaren Bechern im Sinne unserer Kinder einen zum Außerirdischen im Backshop macht.“

In diesem Sinne,

euer Feuerlescher

Gewidmet ist der Text unseren drei lebehaften Jungs.


14
Feb

Das Gegenteil von gut, ist scheinbar gut gemeint – Valentinstag

Valentinstag – eine Erfindung der Industrie oder des Psychiaters, um uns Männer wahlweise in den finanziellen Ruin, den seelischen Abgrund oder beides zu treiben? – Ich gehe stark davon aus.
Seit nun mehr 13 Jahren muss auch ich am Valentinstag liefern, sagen wir lieber: „Seit 13 Jahren hätte ich liefern sollen!“ Um nicht die gleichen Erfahrungen zu machen wie Werder Bremen bei Bayern München, ging ich jeweils frühzeitig in die Vorbereitungen: Es durfte auf gar keinen Fall der langweilige Strauß roter Rosen werden.
Hoch motiviert ging ich das Projekt an: Im ersten Jahr gab es ein Kuscheltier und eine tolle Herzform für das Spiegelei. Beides völlig unpraktisch. Im zweiten Jahr gab es einen kuscheligen Pullover. Natürlich die falsche Farbe. Im dritten Jahr kaufte ich – zumindest für meine Augen – originelle Ohrringe. Ich könnte mal schauen, ob diese immer noch jungfräulich im Schmuckkästchen liegen. Dann kochte ich zu romantischer Musik im Kerzenschein. Leider zu lange auf dem Grill gelassen. Ich organisierte Karten für ein Konzert und kann resümierend sagen: Einer von uns fand das Konzert gut. Natürlich nahm ich auch den Plan „Schatz, dies Jahr schenken wir uns nichts!“ mit und stand mit leeren Händen wie ein zugedröhntes Pokemon vor ihr. Wir fuhren für einen Tag ans Meer. Ziemlich blöde Idee im Februar, bei – 5 °C und strömendem Regen. Ich besorgte eine ganz besonders tolle Pralinenmischung. Schwierig von der Verhältnismäßigkeit, wenn man bedenkt, dass Mechmet aus der Klasse 5f für sein Zeugnis eine neue Playstation bekommt. Auch dies Jahr habe ich große Pläne geschmiedet, meiner Frau zu zeigen, wie einmalig toll sie für mich ist. Etwas Einzigartiges sollte es auch in diesem Jahr sein. Kein non-sense Geschenk wie alle anderen besorgen.
Danke fürs Lesen und auf bald. Ich muss los zu ALDI, sonst sind nachher wieder alle Blumen weg!

Euer Feuerlescher
Gewidmet sind die paar plumpen Zeilen meiner einzigartigen Frau, der kein Geschenk der Welt gerecht wird.


24
Dez

Warum bin ich hier?

Frohe Weihnachten Ihr Lichtblicke und Lieblingswesen,
die regelmäßig meinen Feuerlescher lesen.
Was wird vom Jahr 2016 in Erinnerung bleiben?
Was werden die Historiker in die Geschichtsbücher schreiben?
Denn irgendwann wird unser kleiner Pepe vor mir stehen,
und fragen: Was ist eigentlich in meinem Geburtsjahr geschehen?
Die Amerikaner haben Donald Trump zum Präsidenten gewählt,
der IS hat zahlreiche Menschen gequält.
Deutschland ist nicht Europameister geworden,
Bob Dylan bekam in Abwesenheit den Nobelpreisorden.
Das Militär startete einen Putschversuch in der Türkei,
jetzt ist der Staat auf dem Weg zur diktatorischen Tyrannei.
Zahlreiche Anschläge hielten uns in Deutschland in Atem,
und spielten der rechtspopulistischen AFD in die Karten.
Der Konflikt zwischen der Ukraine und Russland wurde nicht beigelegt,
ein großes Unwetter ist im Juni über Deutschland hinweggefegt.
Empört wird Pepe sein und mich fragen:
Wie konnte Mama mich in so einer Welt austragen?

Doch zum Glück gibt es gute Menschen in meinem Leben,
und ich werde Pepe folgende Antwort geben:
Pepe, zwischen all diesen globalen Irrwegen,
sah ich, was Menschen im Kleinen miteinander bewegen.
Und genau deswegen wünsche ich nicht nur meinem Kind,
Viele Freunde die aus gutem Holz geschnitten sind.
Dann kann das Leben gücklich werden,
trotz vieler Gräultaten auf Erden.

Alles Gute und ein Weihnachten wie es euch gefällt.
Ich hoffe, dass Christkind hat für euch die passenden Geschenke gewählt.


17
Okt

Ein Verbrechen wird bekannter als 1000 gute Taten!

Irgendwann wird unser kleiner Pepe vor mir stehen und fragen: „Papa, was war eigentlich nach meiner Geburt los?“ Schon jetzt bricht mir der Schweiß aus.

Ich könnte ihm global antworten: „Während deiner Geburt stritten sich in der Türkei das Militär und Recep Erdogan um die Staatsführung. In Amerika kämpfte jemand um die Macht, der sich im Video damit rühmte, Frauen sexuell belästigen zu können. Argumentativ stark erklärte seine Widersacherin, dass so jemand nicht Präsident werden dürfte, ohne jedoch Gründe für ihre Wahl anzuführen. In Syrien führen Baschar al-Assad und der Islamische Staat Krieg, um eine Region zwischen Euphrat und Tigris. Zusammenfassend kann man sicher sagen: An vielen Stellen der Welt fiel die Entscheidung zwischen Pest und Cholera!“ Vermutlich würde der kleine Pepe dann fragen: „Papa, warum habt ihr mich in so eine Welt gesetzt?“

Ich könnte ihm auch national antworten: „Eine rechtspopulistische Partei zog entsprechen des nationalen Trends ins Berliner Abgeordnetenhaus und den Landtag von „MecPom“ ein, dabei hätte man vermuten können, dass durch die Deutsche Geschichte gerade in Berlin „gesicherte Grenzen“* aus der Mode sind. Es wurden grausame Anschläge mit Schusswaffen und einer Axt in Deutschland verübt, ohne dass auch nur ein Nutzen erkennbar ist. Weitere Anschläge wurden verhindert, wobei alleine die Pläne für Angst in der Gesellschaft sorgten.“ Vermutlich würde der kleine Pepe auch dann fragen: „Papa, warum habt ihr mich in so eine Welt gesetzt?“

In der Hoffnung, diese Frage zu umgehen, werde ich wohl antworten: „Du zaubertest vielen Menschen ein Lächeln auf das Gesicht, und hast damit durchaus mehr dazu beigetragen, dass die Welt besser wird als viele mächtige, gutbezahlte und selbstverliebte Entscheidungsträger!“

 

*eine Forderung der Partei auf ihren Wahlkampfplakaten


17
Sep

Es könnt‘ alles so einfach sein!

Ihnen mangelt es an flüchtigen sozialen Kontakten? Sie bekommen gerne und ungefragt Ratschläge von Unbekannten? Ihre Privatsphäre spielt für Sie keine Rolle? Indiskrete Frage auf offener Straßen kommen Ihnen gelegen? Ihr Neugeborenes darf gerne ein Praktikum als Pony im Streichelzoo machen?

Gehen Sie einfach mit ihrem Neugeborenen in die Öffentlichkeit. Ungefragt werden gänzlich Unbekannte in Ihren Kinderwagen langen. Sind die Arme oder der Kopf nicht bedeckt, streicheln wildfremde Menschen unseren Sohn. Meine Frau und ich haben bereits Desinfektionsmittelspender am Kinderwagen angebracht. Danach folgt die Standardfrage: „Und, schläft er schon durch?“ – Ja, klar! Direkt nachdem wir aus dem Krankenhaus kamen, hat der Kleine sein Zimmer aufgeräumt, geht pünktlich zu Bett, schläft durch und macht morgens Frühstück. „Unser hat ja direkt durchgeschlafen!“ – Ja, würde unser auch, wenn ich nur den Fernseher laut genug drehe oder das Kinderbett weit weg von meinem Schlafzimmer platziere. Als wir mit unserem Kleinen das erste Mal unterwegs waren, wurden wir von Fremden auf dem Marktplatz angesprochen: „Und, war die Geburt gut?“ – Sicher, meine Frau hat ca. 6 Stunden vor Schmerzen geschrien, konnte mehrere Tage kaum laufen und hat mehr Blut verloren als ich im Jahr spenden darf, aber die Geburt war super. Dann geht es direkt weiter. „Oh, er hat Probleme mit der Verdauung?“ – Ein skeptischer Blick geht in Richtung meiner Frau mit dem Hinweis: „Wenn sie stillen, dann ernähren sie sich falsch!“
Gerade die erfahrene Bevölkerung hat auch Tipps parat: „Ein Kind muss man auch mal schreien lassen!“ – Klar, aber wehe dem, du wirst im Restaurant nicht sofort bedient oder musst beim Aldi an der Kasse anstehen.
„Und, arbeitest du schon wieder?“ Natürlich arbeitet meine Frau schon wieder, weil ihre eigene Regeneration nach dem Vorankommen der Volkswirtschaft steht und vor allem, weil wir ein Kind bekommen haben, was wir am besten den ganzen Tag nicht sehen wollen.

Ehrlich, ohne diese ganzen Tipps, würde es unserem Kleinen lange nicht so gut gehen, schließlich lassen wir ihn jetzt immer schreien, meine Frau hat die Freude am Essen verloren, findet über Stunden anhaltende Schmerzen gut und generell ist es uns wichtig, dass am besten jeder Passant einmal seine Pfoten in den Kinderwagen steckt, damit unser Kind bloß nicht an uns klammert und Antikörper gegen jeden Keim aufbauen kann.

Gewidmet ist der Text meiner lieben Frau, die sich nun seit genau zwei Monaten liebevoll und aufopfernd um unseren kleinen Pepe und mich kümmert. Wir lieben dich!


17
Aug

Popel in der Nase

Gewidmet ist der Text unserem kleinen Sohn Pepe Jakob, der vor genau einem Monat das Licht der Welt erblickte.

Es fing bestimmt schon früher an, aber in meinen Erinnerungen wurde ich erstmals im Kindergarten getestet: „Kann der Junge zählen, auf einem Bein stehen, Fäden gerade nebeneinander kleben und ganze Sätze sprechen?“ Ich konnte und durfte zur Schule gehen. Seitdem musste ich beinahe täglich mein Können nachweisen: Ich wollte zum Gymnasium, also überprüfte meine Lehrerin, ob ich es draufhabe. Mit 14 wollte ich bei einem Partyservice arbeiten, vorher musste ich ein Hygieneseminar besuchen. Später wollte ich eine Fußballmannschaft betreuen, dafür brauchte ich ein amtliches Führungszeugnis. Dann sollte ich Training geben. Das ging natürlich nicht ohne einen Trainerschein. Kein Autofahren ohne Führerschein, keine Bootstour ohne Segelschein. Um überhaupt eine Chance auf einen Studienplatz zu haben, brauchte ich das Abitur. Im Studium waren Laborpraktika gefordert. Ohne gute Klausuren hätte ich keinen Laborplatz bekommen. Um in den Masterstudiengang zu gelangen, war der Bachelor notwendig. Ohne Studienabschluss keine Chance aufs Referendariat, ohne gutes Examen keine Chancen auf dem Arbeitsmarkt. Ohne Gehaltsnachweis keinen Kredit für Auto oder Haus. …

Es gilt also in unserer Welt: Ohne Nachweis, Zeugnis oder Zertifikat geht bei uns nichts. In meinem Leben ist alles verboten, es sei denn ich habe einen Schein, ein Zeugnis oder ein Examen dafür.

Wenn man drüber nachdenkt, ist das auch gut so! Wie würde es sonst auf Deutschlands Straßen zugehen? Welchen Ruf hätten deutsche Produkte, wenn in deutschen Betrieben ohne ausgebildete Arbeitskräfte gewerkelt würde? Wie genießbar wäre das Essen ohne Gesundheitsamt? Wie heilsam ein Krankenhaus ohne studierte Mediziner? Überall und für jeden Bereich haben wir Spezialisten. Jeder Handgriff darf nur von examinierten Fachkräften durchgeführt werden. Je wichtiger ein Arbeitsbereich ist, desto länger, teurer und aufwendiger ist die Ausbildung. Und jetzt stehe ich hier, unsere Zukunft liegt vor mir und ich weiß nicht, wie ich den Popel aus der Nase meines kleinen Sohnes, Pepe, bekomme.

PS: In Deutschland ist es nämlich doch möglich, etwas ohne Studium, Ausbildung, Zertifikat oder Examen zu werden: Eltern und Bundestagsabgeordneter.