Archiv für Februar, 2011

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26
Feb

Unterrichtsvorbereitung

„Jeden Schüler da abholen, wo er steht!“ so titelt das Kultusministerium Niedersachsen auf seiner Homepage. Das ist nicht räumlich gemeint. Ergo muss die Lehrerschaft kein Taxiunternehmen gründen, obwohl dies im Hinblick auf die sinkenden Schülerzahlen vielleicht gar nicht so unklug wäre!?

Im übertragenen Sinne fordert die Parole von mir, meine Schüler zu verstehen, um auf jeden geistigen Aussetzer der Schutzbefohlenen souverän reagieren zu können. Als motivierter Lehrer folgte ich natürlich diesem Ratschlag und stieg hinab in die mitunter geistfrei, intelligenzferne Welt der deutschen Privatsender. Getreu dem Motto „Wenn alle drüber lästern, dann haben es auch alle gesehen!“ suchte ich mal wieder den Superstar. Hatten wir ihn nicht schon längst gefunden? Wer hat ihn bloß verloren gemacht? Jetzt müssen wir ihn schon wieder suchen? Als ich die Struktur der Sendung verstanden hatte, war mein Augen‑Tinnitus (Augenkrankheit die vortäuscht, dass überall Pfeifen zu sehen sind) so akut, dass ich mich erst einmal an den Schreibtisch setzte. Dort lag die Unterrichtsvorbereitung zum deutschen Staatssystem.

Nachdem die Symptome meiner Augenkrankheit abebbten, fiel mir eine verblüffende Ähnlichkeit auf. Die Struktur der Superstarsendung und des deutschen Staatssystems sind nahezu identisch, wenn man nicht so genau hinschaut. Okay, es gibt keine Parteien. Aber es gibt die großen Politikkritiker der bekannten deutschen Tageszeitungen, die an der Urne zwar auch nur eine Stimme haben, aber Millionen Bürger mit Ihrer Berichterstattung irritieren. Man könnte sie folglich auch Juroren nennen. Natürlich gibt es das freie, geheime Wahlrecht. Praktischer Weise wurden im TV die Urnen & Zettel durch das Telefon-Voting ersetzt.  Die Kandidaten nehmen symbolisch den Part der Parteien ein und anhand des Recall-Verfahrens kann mit etwas Phantasie die 5%-Hürde erklärt werden. Glücklich über diesen Vergleich und mit dem Bewusstsein einen guten Aufhänger für die nächste Stunde zu haben, haute ich mich wieder vor die Glotze und blieb im Heute-Journal hängen.  Dann fielen mir noch weitere Gemeinsamkeiten auf: Es gibt keine Wahlpflicht und jeder hat nur eine Stimme, wobei die Superstar-Zuschauer wahrscheinlich davon ausgehen, dass sie nach dem Telefon-Voting ihre Stimme abgegeben haben und damit gar nicht erst zur Urne schreiten dürfen. Das wäre eine mögliche Erklärung für die niedrige Wahlbeteiligung (z. B. in Hamburg). Als das Heute-Journal zur Rubrik Innenpolitik kam, da lief mir ein Schauer den Rücken herunter: Bei beiden Auswahlverfahren kann man nur die wählen, die sich zur Wahl aufstellen lassen.

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14
Feb

Auf dem Weg zum Flirtgott (III/III)

Da saß sie. Wunderschön war sie anzusehen. Allein ihre Anwesenheit machte mich verlegen. Es war Zeit zu handeln. Ich musste an sie herankommen. „Besser für 5 Minuten ein Loser, als ein ganzes Leben lang“, machte ich mir Mut. Sie war mir die ganzen Wochen nicht aus dem Kopf gegangen. Ständig verglich ich die Personen um mich herum mit ihr. Ich musste mir eingestehen richtig dick verliebt zu sein. Sie war schließlich überall und doch sah sie keiner außer mir. Ich wusste, dass ich es nicht aushalten würde, sie vorerst nicht wieder zusehen. Schon im letzten Feuerlescher hatte ich bemerkt, dass die auswendig gelernten Flirtsprüche kaum Erfolg haben und auch der künstlich maximal pigmentierte Gigolo kläglich scheiterte. Was sollte ich tun? Ohne ihren Namen würde ich zu Grunde gehen.

Also trank ich meine ungesunde Sprite aus, nahm all meinen Mut zusammen, stand auf, stolperte zielstrebig auf den freien Stuhl an ihrem Tisch zu, schob ihn semicool beiseite, schaute sie an und stand für einen Moment da, wie ein angepinkelter Gartenzwerg. Dann rannte ich weiter zur Toilette. „Nein, für so was war ich nicht geschaffen! F**k! Da soll sie doch mich ansprechen!“

Beim Blick in den Spiegel bemerkte ich sofort, dass sie mich nicht einmal realisieren würde. Also war ich am Zug.

Mit dieser Gewissheit nutze ich erstmal die sanitären Anlagen zur Erleichterung, warf einen letzten demotivierenden Blick auf mein Spiegelbild, atmete ein letztes Mal in der nikotinverseuchten Luft tief durch und wischte mir den Schweiß von der Stirn. Dann tänzelte ich durch die Menschenmenge zum Tisch meiner Herzdame, ließ mich möglichste elegant auf den Stuhl plumpsen und sagte ihr, dass ich der Lesch bin.

Dies war der Beginn des längsten Moments in meinem Leben. Ich fing an zu Zittern. Mir wurde warm und kalt. Am liebsten wäre ich geflohen. Ich war rot wie ein Feuerlescher. Tage vergingen. Doch dann stellte sie sich vor. Das war der Startschuss für eine lange Diskussion über das deutsche Schulsystem. Wir bemerkten die gleichen Interessen zu haben und tauschten unser Wissen über die chinesische Küche und den Badmintonsport aus. Je länger ich mich mit ihr unterhielt, desto vollständiger wurden meine Sätze. All meine Ängste waren also vergeblich gewesen. All mein Zittern war unnötig. Sie war wirklich sehr nett zu mir.

So traf ich sie einige Male wieder, schwärmte immer mehr für sie, behandelte sie übermäßig freundlich, machte ihr phantasievoll übertriebene Komplimente, träumte nur noch von ihr, wünschte mir nichts mehr als sie zu küssen und in ihren Armen zu liegen.

Nun sind wir Freunde.

Im Sinne des Bischofs Valentin,

euer Feuerlescher

PS: Vor etwa sieben Jahren spielte sich die beschriebene Geschichte ab, jedoch mit deutlich besserem Ende für den Autor! Katharina, ich liebe dich!

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7
Feb

Auf dem Weg zum Flirtgott (II/III)

Ich saß wieder in meiner Lieblingskneipe. Ein wenig müde zog ich die Pfütze Cola aus meiner Flasche und blickte trübsinnig rein. Dann stockte mein Atem. Mit einem Schlag war ich hell wach. Der Traum meiner schlaflosen Nächte betrat die Kneipe. Nachdem ich letztes Mal schon versäumt hatte, sie anzusprechen, musste ich unbedingt eine Möglichkeit finden, an sie heranzukommen.

Doch wie sollte es gehen? Was sollte ich tun? Ich befand mich  in einer Zwickmühle: Entweder ich würde mich mit einem öden Flirtspruch bis auf die Knochen blamieren oder mir immer vorwerfen müssen, es nicht wenigstens versucht zu haben. Doch bevor ich mich entschieden hatte, war ich nicht mehr der einzige Interessent. Ein recht großer, muskulöser Kerl ging direkt auf sie zu. Er sprach sie an. Kein Wunder, bei ihrem herrlichen Lächeln, bei ihrer überragenden Ausstrahlung . . . . Nie hatte ich gewagt, von solcher Perfektion zu träumen.

Doch in diesem Moment waren alle meine Hoffnungen verflogen, schließlich wusste ich absolut nicht, was ich tun sollte. Sie flirtete während dessen eifrig mit dem Muskel-Mann. „Was hat er, was ich nicht habe? Warum hört sie ihm zu und mir nicht?“, von diesen Fragen gequält und vom Neid geplagt, begann ich mich mit ihrem Flirt zu vergleichen. Schnell merkte ich, dass er mich schon durch seine Bräune ganz blass in die Ecke stellte. Seine in ein hautenges T-Shirt verpackten Muskelpakete ließen mich abgemagerten Hungerhaken noch nichtiger erscheinen. „Das war also der Weg zum Erfolg“, dachte ich und überlegte schon, welches Fitness Studio das günstigste sei, da fiel mir auf, wie meine Traumfrau zu ihm hinaufschaute. Doch auf die Schnelle kann ich nichts an meiner Größe ändern. Dafür gelang es mir im Handumdrehen mein Kaugummi genau so ultralässig zwischen den Zähnen zu balancieren wie ihm, denn er schien damit zu überzeugen. Außerdem musste ich mir noch eine möglichst auffällige Goldkette bei Ebay ordern, denn diese schien eine magnetische Wirkung auf die Blicke der Prachtschnitte zu haben.

Nach diesem für mich erschreckend ausgefallenen Vergleich wollte ich wissen, was nun dahinter steckt und ob die schnittigste aller Schnitten sich mit ihm einlässt. Ich beobachtete diesen Frauenschwarm und natürlich den Traum meiner schlaflosen Nächte vom Nebentisch. Wie sie über seine Witze lachte und mit ihm anstieß. Neben einer Dauerkarte im Fitnessstudio, einem Abo in der Sonnenbank und einem Goldkettchen musste ich es nur noch schaffen, immer eine Geschichte am Start zu haben, ein paar Witze zu reißen und immerzu breit zu grinsen. Sollte ich es dann noch schaffen, gut gemeinte, die Tatsachen verdrehende Komplimente anzubringen, dann hätte ich wenigstens ein paar Chancen das Rennen zu machen.

So saß ich lange grübelnd vor meiner Cola und musste hinnehmen, wie sich die Frist Lady unter den Schnitten angeregt mit ihrem Flirt unterhielt. „Was wäre ich gerne an seiner Stelle!?“ Mit jeder Minute, die er mit meiner Traumfrau redete, zog sich die Schlinge um meinen Hals enger. Als mein Atmen fast erloschen war, kamen ihre Freundinnen und sie ließ ihn links liegen. Da konnte ich wieder frei aufatmen und ihren Anblick genießen, davon träumen, dass ihre funkelnden Augen mich ansehen, ihr herrliches Lächeln mir gilt und ihre geschmeidigen Lippen mit mir sprechen.

Als sich die Kneipe leerte, saß ich wieder da wie ein Häufchen Elend. Auch überdimensionale Muskelmaßen, künstliche Maximalpigmentierung, umhüllt von einem hautengen, durchsichtigen T-Shirt gekrönt von einer dicken Goldkette waren nicht der Schlüssel zu der schnittigsten aller Schnitten. Mit dem Gefühl kein Stück weitergekommen zu sein, ging ich nach Hause, legte mich ins Bett, stellte die Welt in Frage und träumte von ihr.